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Hohes Interesse an hochaktuellem „thema“ 2023

27. November 2023

Das Interesse an unserer diesjährigen Online-Veranstaltung „thema“ war heuer groß: Rund 300 Personen, der Großteil davon Lehrkräfte, nahmen am 23. November 2023 daran teil, um sich näher über die Möglichkeiten der Prävention von selbstverletzendem und suizidalem Verhalten im schulischen Kontext zu informieren. Die fachlichen Beiträge der Referentinnen und Referenten boten dabei nicht nur qualitativ hochwertige Inhalte, sondern zeigten auch die Vielschichtigkeit und die enorme Bedeutung dieses hochaktuellen Themas sehr gut auf.

Unsere Kollegin Mag.a Rosmarie Kranewitter-Wagner führte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in eleganter Manier durch das abwechslungsreiche Programm, das mit einer Grußbotschaft von LH-Stv. Mag. Christine Haberlander sowie Eingangs-Statements von pro mente Vorstandsvorsitzenden Prim. Priv.-Doz. Dr. Kurosch Yazdi-Zorn und Institutsleiter Mag. Dr. Rainer Schmidbauer eröffnet wurde.

Das erste Fachreferat wurde von Mag. Andreas Prenn, dem Leiter der Präventionsfachstelle SUPRO in Vorarlberg gehalten. Die Fachstelle Vorarlberg beschäftigt sich bereits seit dem Jahr 2015 mit dem Thema Suizidprävention als eigenes Aufgabenfeld. Andreas Prenn, selbst ausgebildeter Pädagoge mit viel praktischer Erfahrung, bot in seinem Beitrag einen gelungenen Überblick zum Thema selbstverletzendem und suizidalem Verhalten im schulischen Kontext.

Vor allem der Umgang mit gängigen Vorurteilen, die das Thema tabuisieren, sei, so Andreas Prenn, ein entscheidender Faktor. So würde sich zum Beispiel in unserer Gesellschaft nach wie vor der Mythos halten, wonach man die Sorge, dass sich jemand das Leben nehmen könnte, keinesfalls direkt ansprechen sollte, weil man dadurch Betroffene erst recht auf die Idee bringt, eine suizidale Handlung zu setzen. Eine falsche Annahme, denn, so Prenn weiter, „wenn man suizidgefährdete Menschen auf ihre Suizidgedanken anspricht, ist das sogar ein wichtiger Schritt zur Verhinderung von Suizidversuchen. Wer sich mit solchen Gedanken beschäftigt, erhält durch die Frage eine Chance, darüber zu sprechen.“ Und wer bisher keine Suizidgedanken hatte, wird durch Fragen danach auch keine entwickeln. Auch die Thematisierung des Themas „Suizid“ im Unterricht berge laut Prenn kein Risiko, wenn sie gut aufgearbeitet werde, zum Beispiel in Form von literarischen Beiträgen oder Spielfilmen. Eine wichtige Voraussetzung dafür sei jedoch, dass ein Suizid dabei nicht als normal, heroisch oder sogar „cool“ dargestellt werde. Auch das weit verbreitete Vorurteil „Wer von Selbsttötung spricht, macht das doch nicht wirklich.“ stimmt nicht. Denn die Erfahrung zeige, so Prenn, dass die meisten Suizide und Suizidversuche auf unterschiedliche Art und Weise vorher angekündigt werden. Eine zentrale Botschaft in diesem Zusammenhang sei, dass suizidale Menschen nicht sterben wollen. Sie können oder wollen nur nicht so weiterleben.

Zu den Besonderheiten jugendlicher Suizidalität bzw. generell der jugendlichen Lebensphase zählt neben der Bedeutung der Gleichaltrigengruppe auch der so genannte „Jugendegozentrismus“, auf den Andreas Prenn exemplarisch näher einging. Generell sei es wichtig zu wissen, dass Faktoren wie diese maßgeblich dafür verantwortlich seien, dass es gerade in diesem Alter eine höhere Neigung zu riskantem Verhalten gebe. Für Erwachsene bedeutet das in erster Linie als einschätzbare, verlässliche Beziehungspartner zu agieren. Neben der Darstellung wichtiger persönlicher und struktureller Risiko- und Schutzfaktoren ging Andreas Prenn auch auf das häufig vorkommende nichtsuizidale selbstverletzende Verhalten ein, von dem mehr Mädchen als Burschen betroffen sind. Zu den oft nicht auf den ersten Blick erkennbaren selbstverletzenden Handlungen wie zum Beispiel Ritzen oder Schneiden, zählen aber beispielsweise auch der (zuvor nicht vorhandene) exzessive Konsum von Alkohol oder Drogen. Selbstverletzendes Verhalten werde oft zur Emotionsregulierung und -stabilisierung eingesetzt, um den psychischen Druck zu lindern. Dazu gibt es aber auch die Funktion der Manipulation, um etwa die Dynamik von Beziehungen zu beeinflussen oder schlicht als Gruppenphänomen, um dazuzugehören und zu beeindrucken.

Ein Resümee lautet, dass sich selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität nicht immer scharf abgrenzen lassen. Denn selbstverletzendes Verhalten sei nicht in jedem Fall ein Zeichen für eine Suizidneigung. Gleichzeitig sollten sich Pädagoginnen und Pädagogen darüber im Klaren sein, dass es nicht ihre Aufgaben ist, therapeutische Handlungen zu setzen. Sehr wohl sei jedoch das Ansprechen entscheidend und das Wissen über professionelle Unterstützungssysteme. Generell biete der sozial wichtige Ort Schule eine hervorragende Möglichkeit für zahlreiche Schutzfaktoren. „Investieren Sie, insbesondere als Klassenvorstand, in das Klassenklima“, lautete folgerichtig der Apell von Andreas Prenn, der in diesem Zusammenhang auch auf die besondere Bedeutung des Klassen- und Schulklimas für die Prävention von selbstverletzendem und suizidalem Verhalten hinwies.  

Das Thema Prävention stand dann auch im Zentrum des zweiten Beitrags. Mag. Peter Eberle, MA, Leiter des Fachbereichs „Schule Familie Elementare Bildungseinrichtungen“ am Institut Suchtprävention, erläuterte den ursprünglich von der WHO konzipierten Präventionsansatz der Lebenskompetenzförderung, der nicht nur in der Sucht- und Gewaltprävention einen hohen Stellenwert erlangt hat, sondern auch für das soziale Lernen und für die Förderung der psychischen Gesundheit von großer Bedeutung ist. Dabei werden wichtige Schutzfaktoren wie Selbstwahrnehmung, Empathie, Selbstwert, Umgang mit Stress usw. gefördert, wobei die Bedeutung des sozialen Umfelds, wie etwa die Schulklasse, eine ganz entscheidende Rolle für die positive Entwicklung spielt. Die Unterstützung der positiven Gruppenentwicklung reduziert beispielsweise Mobbing, das wiederum einen hohen Risikofaktor für selbstverletzendes und suizidales Verhalten darstellt.

Peter Eberle führte als ein Beispiel den Umgang mit Stress an. Im Zuge von Lebenskompetenzprogrammen, wie sie auch das Institut Suchtprävention für Schulen anbietet, erlerne man beispielsweise Techniken, um mit Stress umzugehen, ihn zu reduzieren, das Erkennen von Stressauslösern und die Anwendung von Entspannungstechniken bzw. das Entwickeln von Copingstrategien, um Stress in gesunder Weise zu bewältigen. In der Folge ging Peter Eberle näher auf die Lebenskompetenz-Angebote des Instituts Suchtprävention ein, die beginnend von den Elementaren Bildungseinrichtungen („Psychosoziale Gesundheit im Kindergarten“), über die Volksschule („zusammen.wachsen“) bis zu den Sekundarstufen 1 („plus“) und 2 („Wetterfest“ und Coaching-App „ready4life“) reichen. Die Evaluationsergebnisse und Rückmeldungen aus den Schulen zeigen eindrucksvoll, dass sich diese Programme u.a. positiv auf die Schüler-Lehrer-Beziehung und das Klassenklima auswirken.

Der dritte und abschließende Beitrag der Veranstaltung „thema“ wurde gemeinsam von Mag.a Sonja Hörmanseder, Leiterin der Krisenhilfe OÖ und Dr.in Christa Wührer, stv. Leiterin der Schulpsychologie an der Bildungsdirektion OÖ, gestaltet. Dabei wurden die Unterstützungsmöglichkeiten dieser beiden Einrichtungen, die vor einigen Jahren zum Thema Suizidprävention eine vorbildhafte Kooperation geschlossen haben, näher erläutert. So steht die Krisenhilfe OÖ beispielsweise rund um die Uhr mit einer kostenlosen Hotline (0732/2177) zur Verfügung, aber auch die Möglichkeit für persönliche Gespräche oder Online-Angebote sind gegeben. Wichtig, so Sonja Hörmanseder, sei dabei vor allem, dass HelferInnen im schulischen Kontext auf ihre eigene Grenzen achten sollten und im Anlassfall die Verantwortung nicht alleine tragen müssen. Denn die Unterstützung eines anderen Menschen dürfe nicht zur eigenen Überforderung führen.

In akuten Fällen kann die Krisenhilfe OÖ rasch mit ihren mobilen Teams in ganz Oberösterreich die PädagogInnen situationsbedingt vor Ort unterstützen und gemeinsam mit der Schulpsychologie die nachfolgenden Unterstützungsmaßnahmen koordinieren. Dabei sind zum Beispiel auch Entlastungsgespräche nach einem Einsatz möglich, genauso wie Coachings vor Ort oder Gruppeninterventionen.

„Strukturen geben Sicherheit“ betonte in diesem Zusammenhang auch Dr.in Christa Wührer, stv. Leiterin der Abteilung Schulpsychologie an der Bildungsdirektion OÖ, zu Beginn ihres Beitrags, die Wichtigkeit der Kooperation mit der Krisenhilfe OÖ zu einem überaus aktuellen Thema. Christa Wührer, die kurzfristig für Mag. Katharina Renner-Spitzbarth (Leiterin Abteilung Schulpsychologie und Schulärztlicher Dienst) erläuterte die Handlungsabläufe und Aufgabenverteilung im Anlassfall und wie wichtig gerade in Stresssituationen ein Handlungsleitfaden sei. Diese für PädogogInnen wichtige Unterstützung sollte an jeder Schule in der Notfallmappe der Bildungsdirektion, die wichtige Rufnummern und Ansprechpartner enthält, griffbereit sein. Dazu sei es auch wichtig, vorab schulintern zu regeln, wer zum Beispiel die Meldung an die Krisenhilfe übernimmt. In den meisten Fällen obliege dies der Schulleitung, jedoch sollte auch geregelt sein, wer diese im Anlassfall vertritt, sollte gerade niemand von der Schulleitung vor Ort sein. Während die Krisenhilfe rasch handeln kann, liegt der Fokus der Abteilung Schulpsychologie im Krisenfall bei der Nachbetreuung. Generell bietet die Schulpsychologie in Oberösterreich eine Vielfalt an Beratungsangebote für PädagogInnen, aber auch für SchülerInnen (ab 14 Jahren) und Eltern. Die Themengebiete umfassen Bereiche wie Fragen zur oder Probleme in der Schullaufbahn, Lernen allgemein, Motivation und Begabung, Unterrichtsstörungen und Verhaltensveränderungen, aber auch zu Gewalt und Mobbing, Schulabsentismus, Konflikten im System Schule, u.v.m. sei die Schulpsychologie die geeignete Anlaufstelle, so Wührer.

Mit diesem inhaltlichen Schlusspunkt und der Beantwortung von Fragen, die sich während der Vorträge gestellt hatte, war zwar die diesjährige Veranstaltung „thema“ am Ende angelangt, das Thema der Veranstaltung wird uns hingegen mit Sicherheit auch in Zukunft noch beschäftigen. Erste Weiterbildungen für Lehrkräfte in Oberösterreich sowie ein Handbuch zum Thema „Selbstverletzendes und suizidales Verhalten im schulischen Kontext“ wurden am Institut Suchtprävention bereits konzipiert und werden bereits im kommenden Semester erprobt.  

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