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25.04.2016

Tabuthema Alkohol in der Schwangerschaft

von links: Günther Stelzmüller (Fachmesse integra), Albert Maringer (Obmann GKK OÖ), Christoph Lagemann (Leitung Institut Suchtprävention), Prim. Priv.Doz. Dr. Wolfgang Arzt (Kepler Universitäts Klinikum)

Im Rahmen einer Pressekonferenz der OÖ Gebietskrankenkasse (OÖGKK) wurde heute auf das sensible Thema "Alkohol in der Schwangerschaft" aufmerksam gemacht. Neben Albert Maringer, Obmann der OÖ GKK, nahmen Primar Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Arzt, Leiter des Instituts für Pränatalmedizin am Kepler-Universitätsklinikum in Linz, Christoph Lagemann, Leiter des Instituts Suchtprävention und Günther Stelzmüller, Organisator der integra® Messe Wels, an der Pressekonferenz teil.

Rund vier bis fünf von 1000 Kindern sind hierzulande von angeborenen Fehlbildungen und Folgeschäden betroffen, die durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft verursacht wurden. Die Symptome reichen von Fehlbildungen an den Organen bis hin zu motorischen Defiziten, Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen. Diese Schäden wären leicht zu vermeiden, wenn werdende Mütter auf Alkohol verzichten. Eine gesicherte „Harmlosigkeitsgrenze“, bis zu der ohne Bedenken getrunken werden kann, gibt es nicht.

Alkohol und dessen Abbauprodukte gelangen über die Plazenta ungehindert zum ungeborenen Kind und können dessen Körperzellen und in der Folge Organe und das zentrale Nervensystem schädigen. Vor allem für das Gehirn des Babys wirkt Alkohol wie ein Nervengift. Die Frage, ob und ab welcher Menge Alkohol das Ungeborene schädigen kann, lässt sich jedoch nicht pauschal beantworten. Dass Frauen, die häufig und in größeren Mengen Alkohol konsumieren, ein höheres Risiko haben, ein Kind mit Beeinträchtigung zu bekommen, ist unbestritten. Doch selbst, wenn eine Schwangere meistens auf Alkohol verzichtet, aber bei einer Party hin und wieder ein paar Gläser auf einmal trinkt, kann das Ungeborene geschädigt werden. Auch moderater Konsum ist nicht ohne Risiko, vor allem, wenn die individuelle Empfindlichkeit hoch ist - denn wie der Körper auf Alkohol reagiert, ist von Frau zu Frau bzw. von Kind zu Kind unterschiedlich. Außerdem hängt das Schädigungspotenzial davon ab, zu welchem Zeitpunkt in der Schwangerschaft Alkohol konsumiert wird, das heißt in welchem Entwicklungsstand sich der Embryo bzw. Fötus gerade befindet.

„Da es keine gesicherte ‚Harmlosigkeitsgrenze‘ gibt, empfehlen wir Schwangeren aus medizinischer Sicht ganz auf Alkohol zu verzichten. Das heißt aber nicht, dass sich die Betroffenen vor minimalen Mengen fürchten müssen: Dass zum Beispiel eine Süßspeise, die mit ein paar Tropfen Likör verfeinert wurde, gefährlich fürs Baby ist, ist nicht anzunehmen“, so Primar Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Arzt, Leiter des Instituts für Pränatalmedizin am Kepler-Universitätsklinikum in Linz.

Alle Schäden, die durch Alkoholkonsum entstehen können, bezeichnet man zusammengefasst  als fetale Alkoholspektrumstörung. Grob geschätzt sind etwa vier bis fünf von 1.000 Kindern davon betroffen. „Zum Formenkreis der Alkoholspektrumstörung gehört als schwerste Form das fetale Alkoholsyndrom mit ca. einer von 1.000 Geburten mit  Fehlbildungen an den Organen - vor allem Herz, Nieren, Wirbelsäule - und Schäden am zentralen Nervensystem. Diese können für motorische Defizite, Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen verantwortlich sein. Oft leiden betroffene Kinder später unter psychischen Verhaltensauffälligkeiten und haben Probleme, ihre Emotionen zu steuern“, so Primar Arzt.

Bei schweren Fällen ist die alkoholbedingte Schädigung auch optisch erkennbar, z. B. durch verkürzte Lidspalten, einen kurzen breiten Nasenrücken und auffällige Ohrmuscheln.  Ebenso kann die Ent¬wicklung der Intelligenz beeinträchtigt sein. Vom Vollbild der Alkoholspektrumstörung, dem „fetalen Alkoholsyndrom“ ist jedoch der kleinere Teil der geschädigten Kinder betroffen. Die Mehrheit der Kinder weist Schädigungen auf, die schwer und nur mit großem Aufwand zu diagnostizieren sind. Mütter, die während der Schwangerschaft Alkohol konsumiert haben, machen in der Regel von sich aus keine Angaben dazu. Es kann also sein, dass das Kind z. B. im Kindergarten oder in der Schule Verhaltensauffälligkeiten und geistige Entwicklungsdefizite aufweist und man kennt die Ursache nicht. Die alkoholbedingten Schäden sind irreversibel, lassen sich also nicht „wegtherapieren“. Eine gute und punktgenaue Förderung kann die Entwicklung eines Kindes jedoch günstig beeinflussen.


Unterstützung des sozialen Umfelds

Albert Maringer, Obmann der OÖGKK, sieht Alkoholkonsum nicht nur als individuelles, sondern auch als gesellschaftliches Phänomen. Er appelliert an das soziale Umfeld, es Schwangeren leicht zu machen, auf Alkohol zu verzichten: „Das beginnt bei attraktiven alkoholfreien Getränken bei einer Feier und reicht bis zum Verzicht auf gewisse Bemerkungen wie z. B. ‚Ein Glaserl macht doch nichts‘. Manchen Frauen hilft es auch, wenn sich der Partner aus Solidarität beim Trinken zurückhält.“

„Alkohol ist in unserer Gesellschaft ein großes Thema, doch über die Folgen zu reden, ist ein Tabu“, ergänzt Christoph Lagemann, Leiter des Instituts Suchtprävention in Linz: „Erwachsene sollten sich immer wieder bewusst machen, dass mit dem persönlichen Konsumverhalten nicht nur die Verantwortung für die eigene Gesundheit einhergeht, sondern auch jene für die Gesundheit der Kinder, auch der ungeborenen Kinder.“

Tabu brechen: Scham verhindert Hilfe

Das Tabu brechen: Hier setzt auch Günther Stelzmüller, Organisator der integra® Messe Wels ( 27. bis 29. April 2016 in Wels) an: „Wir haben Schädigungen und Behinderungen durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft heuer bewusst als Schwerpunkt gewählt. Scham verhindert Hilfe während der Schwangerschaft und eine Diagnose, wenn es zu Schädigungen gekommen ist. Wenn jedoch betroffene Menschen und ihre Bezugspersonen Bescheid wissen, warum eine Beeinträchtigung vorliegt, kann das ein erster Schritt in Richtung bedarfsgerechte Unterstützung sein.“ Eine frühzeitige Diagnose ermöglicht eine gezielte Förderung. Kinder mit alkoholbedingten Schäden brauchen meist feste Strukturen und klare Abläufe. Mit Druck oder einer Flut an Reizen können sie oft nur schlecht umgehen. „Wenn Eltern bzw. Bezugspersonen in der Schule, in Pflegefamilien oder Wohngemeinschaften etc. Bescheid wissen, können sie sich besser auf das Kind einstellen“, so Stelzmüller.

Kooperationspartner OÖGKK und Institut Suchtprävention

„Wir arbeiten in der Gesundheitsförderung und Prävention seit Jahren immer wieder mit dem Institut Suchtprävention zusammen. Wissen und Kräfte mit kompetenten Partnern zu bündeln ist uns als OÖGKK wichtig“, so OÖGKK-Obmann Albert Maringer.  

Kooperations-Beispiele rund ums Thema Alkohol sind:

  • das Projekt „Gut begleitet von Anfang an“, in dessen Rahmen (werdende) Familien mit besonderen gesundheitlichen und psycho-sozialen Risiken unterstützt werden. Konkret besteht die Kooperation dabei im Workshop „Starke Eltern von Anfang an“ mit Referenten des Instituts Sucht-prävention (Mehr Infos unter ooegkk.at/starkeeltern). .
  • die gemeinsam herausgebrachte Broschüre „Alkohol und Rauchen in der Schwangerschaft“. Sie wird mit den Mutter-Kind-Pässen an schwangere Frauen in OÖ verteilt.