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24.11.2015

Sucht ohne Drogen: Glücksspiel - Essstörungen - Digitale Medien

Das Steyrer Netzwerk „Flow Akut“ lud am 19.11.2015 zu seiner jährlichen Fachtagung. Dieses Mal drehte sich alles um das Thema „Sucht ohne Drogen“. Die rund 120 Gäste aus den Bereichen außerschulische Jugendarbeit, Streetwork, Kinder- und Jugendhilfe, arbeitsmarktpolitische Projekte, Beratungsstellen und Sozialarbeit konnten sich zu den drei Hauptthemen Glücksspiel – Essstörungen- Digitale Medien viel Wissenswertes aus Wissenschaft und Praxis mitnehmen.

Videos von den Vorträgen - das Bildungs TV hat mitgefilmt - sowie Infos zu den einzelnen Beiträgen finden Sie in unserer Rubrik Tagungsunterlagen


Nach der offiziellen Eröffnung durch Vizebürgermeisterin Ingrid Weixlberger bot Mag. Dietmar Krenmayr, MA (Institut Suchtprävention, Linz)  im Auftaktvortrag einen Überblick zu den Themen Glücksspiel, Glücksspielsucht und Prävention und beschäftigte sich mit Fragestellungen wie „Ab wann ist man glücksspielsüchtig?“ oder „Welche Glücksspiele gelten in Österreich als Glücksspiele im Sinne des Glücksspielgesetzes?“ Er bot einen Überblick zu Zahlen und Daten zur Verbreitung von Glücksspiel in Österreich. Auf die Problematik des Themas Sportwetten, die in Österreich nicht zum Glücksspiel zählen, wurde dabei ebenso eingegangen wie auf das hohe Suchtpotenzial von Automatenspielen. In Summe gibt es in Österreich laut aktuellen Zahlen rund 64.000 Menschen, die einen problematischen oder gar süchtigen Umgang mit Glücksspielen aufweisen. Erfahrungsgemäß betrifft das Problem Glücksspielabhängigkeit jedoch bis zu 15 Angehörige pro Spielsüchtigen. Diese Erfahrungen konnte auch Mag. Eliane Eder-Manser vom Sozialpsychischen Beratungsdienst der Stadt Wels bestätigen. Sie präsentierte in ihrem Beitrag interessante Fallbeispiele aus der Beratungspraxis und konnte dabei gut veranschaulichen, mit welchen Problemen vor allem Jugendliche und junge Erwachsene konfrontiert sind. Zu den bedeutendsten Risikofaktoren für die Entwicklung eines problematischen Glückspielverhaltens zählen das männliche Geschlecht, ein junges (bis 30 Jahre) Alter, niedriges Bildungsniveau, Arbeitslosigkeit, Migrationshintergrund, eine „Broken home“- Situation sowie Suchterkrankungen in der Herkunftsfamilie. Junge Menschen, die mit diesen Faktoren konfrontiert sind, haben ein bedeutend höheres Risiko selbst ein problematisches Glücksspielverhalten zu entwickeln als andere Gleichaltrige. Die Folgen sind fatal und reichen von problematischem Alkoholkonsum über den Verlust der Lehrstelle, des Berufs bis zu kriminellen Handlungen zur Geldbeschaffung und einem erhöhten Suizidrisiko. Was sind nun geeignete Gegenstrategien? Neben vorbeugenden Grundlagen (z.B. Vermittlung von Lebenskompetenzen wie Konfliktlösungsstrategien, Stärkung des Selbstwertes und des Einfühlungsvermögen etc.) ist vor allem die möglichst frühe Erkennung problematischer Verhaltensweisen entscheidend. Denn: Je früher jemand mit dem Glücksspiel beginnt, desto eher neigt er später zu Glücksspielexzessen. Und: Je früher Glückspielsucht erkannt wird, desto besser die Chancen finanziell, gesundheitlich oder seelisch unbeschadet aussteigen zu können. Daher ist es gerade in Berufsgruppen, in denen Menschen mit Jugendlichen oder jungen Erwachsenen arbeiten, selbst ein eigenes Bewusstsein für diese Problematik zu schärfen, Wissen zu vermitteln und Jugendlichen dazu – in geeigneter Weise – anzusprechen und bei Bedarf  an eine Beratungsstelle zu verweisen.


Der zweite Themenblock des Tages war den unterschiedlichen Ausprägungen von Essstörungen gewidmet. Vor allem die Anorexia nervosa (Magersucht), die krankhafte Nahrungsverweigerung aus Angst zu dick zu werden oder zu dick zu sein, stellte eine große Herausforderung für Prävention, Beratung und Behandlung dar. Dr. Barbara Emhofer-Licka, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Steyr, gab einen berührenden und im wahrsten Sinne ernüchternden Einblick in das Leben Jugendlicher bzw. junger Erwachsener, die unter einer Essstörung leiden. Nach wie vor ist dieses oft tabuisierte Thema ein vorwiegend weibliches, das häufig in der Pubertät, mit der Veränderung des eigenen Körpers, auftritt. Vor allem ein überhöhter Anspruch an den eigenen Körper bzw. an die Körperentwicklung ist ein wesentlicher Risikofaktor. Zudem sind die Betroffenen meist sehr angepasst und können ihre Krankheit lange Zeit geschickt vor anderen verschleiern, obwohl sie selbst stark unter ihrem Essverhalten leiden und mit gravierenden Folgen, die bis zum Tod reichen, konfrontiert sind. Der Zugang durch Außenstehende ist daher schwierig. Neben präventiven Maßnahmen und Erstberatungen sind beim Thema Essstörungen in erster Linie eine Psychotherapie und medizinische Angebote für einen günstigen Verlauf nötig.


Der Nachmittag der Flow Akut Tagung war schließlich dem Thema „Digitale Medien“ gewidmet. Mag. Peter Eberle (Institut Suchtprävention) und DI. Barbara Buchegger (Saferinternet) zeigten in ihren Präsentationen die Vielschichtigkeit dieses Bereichs auf. Denn die Vielfalt der Medien und Medieninhalte, die von Kindern und Jugendlichen benutzt bzw. konsumiert werden, hat sich im letzten Jahrzehnt rasant und deutlich erweitert. Kinder und Jugendliche wachsen heute mit digitalen Medien wie selbstverständlich auf. Als „Digital Natives“ sind die meisten von ihnen bereits in jungen Jahren sehr medienaffin. Das beinhaltet sehr viele positive Möglichkeiten und Chancen, seiner Kreativität und seinen Fähigkeiten freien Lauf zu lassen, aber klarerweise auch Risiken. Dazu gehören beispielweise das Surfen auf Internetseiten mit für Kindern ungeeigneten Inhalten (Gewalt, Pornografie), Kostenfallen, Datenschutzverletzungen, Cybermobbing oder generell eine unangemessene Zeitdauer, die mit der Nutzung digitaler Medien einhergeht. Daher ist es unabdingbar, dass Kinder schon früh lernen, das Internet nicht nur technisch-funktional, sondern auch inhaltlich kompetent und kritisch zu nutzen. Vielen Erwachsenen fällt es mitunter schwer, mit aktuellen Phänomenen der digitalen Welt Schritt zu halten. Zahlreiche Problemstellungen, die sich aus der Nutzung digitaler Medien ergeben, sind aber auch in der „Offline“-Welt vorhanden. Und hier können Erwachsene sehr wohl mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es etwa um Konfliktlösungsstrategien oder den konstruktiven Umgang mit unangenehmen Gefühlen und Stress geht.


In Summe war es einmal mehr ein überaus gelungener und erkenntnisreicher Austausch in Steyr. Es gab reichlich Fragen und anregende Diskussionen mit den Vortragenden, der allen Beteiligten neben der angemessenen Ernsthaftigkeit der Themen schlussendlich auch viel Freude über das zusätzliche Know-how und den persönlichen Erfahrungsaustausch bereiten konnte. Als verantwortlicher Koordinator des Netzwerks Flow Akut führte Herbert Baumgartner, MA, (Institut Suchtprävention) durch das Programm. Für die tolle kulinarische Verpflegung sorgte  ein Projektteam des FAB Steyr.


Das Netzwerk "Flow Akut" ist ein Zusammenschluss von Sozialeinrichtungen in Steyr, die für Jugendliche und junge Erwachsene in schwierigen Lebenslagen hilfreiche Angebote setzen, sowie der Steyrer Polizei und der Kinder-und Jugendhilfe des Magistrats Steyr. Zielgruppe von Flow Akut sind Jugendliche und junge Erwachsene, die riskant Drogen konsumieren bzw. suchtgefährdet sind. Über konkrete Projekte, Information und Sensibilisierung soll über Suchtgefährdung aufgeklärt und einem Abrutschen in die Suchtgefährdung vorgebeugt werden. Das Netzwerk, das vom Institut Suchtprävention koordiniert wird, besteht in dieser breiten Zusammensetzung schon seit 11 Jahren, das ist einzigartig für Oberösterreich!